
Eine Aktive Schule in einer Woche
Die Freie Aktive Schule Wülfrath ist eine staatlich anerkannte einzügige Gesamtschule und Grundschule. Alle staatlichen Abschlüsse werden angeboten. Und das war es dann schon fast mit den Gemeinsamkeiten zur Regelschule. Ich habe eine Woche diese eindrucksvolle Schule besucht und sie in Aktion gesehen.
Die vielfältigen Eindrücke konnte ich gar nicht so schnell verarbeiten wie neue dazugekommen sind. An der Freien Aktiven Schule Wülfrath passiert sehr viel Unterschiedliches zur gleichen Zeit. Alle Schüler arbeiten individuell:
- Löten in der Werkstatt,
- Videospiele programmieren,
- Namensschilder mit einem Lasergerät aus Holz herstellen,
- Türme bauen,
- ein Bild malen,
- Käfer sammeln,
- mit einem Lernprogramm Phsyik lernen,
- oder im Matsch spielen.
An einer Schule, an der so vieles gleichzeitig passiert, könnte ich schon nach einer Woche ein kleines Büchlein über meine Erfahrungen schreiben. In diesem Beitrag schildere ich nur meine Erfahrungen von dem einen Tag, den ich an der Grundschule verbracht habe.
Die Grundschule der Freien Aktiven Schulen Wülfrath
Die Räume
Das Raumkonzept der Grundschule kennt kleine Klassenräume. Stattdessen gibt es Themenräume. Es gibt den Forscherraum, die Schatzkammer, den Bewegungsraum und den Kunstraum. In der weiterführenden Schule kommt ein Musikraum mit Tonstudio und eine große Werktstatt hinzu. Alle Räume waren frei zugänglich.
Kunst- und Werkraum
Im Kunstraum gibt es viel Material wie Papier, Farbe und Buntstifte und einen Malort, inspiriert von nach Arno Stern. In einem abgetrennten Bereich findens sich Bauklötzen und Spielfiguren. An dieser Grundschule darf gespielt werden. Spielen ist Lernen lautet die Devise.
Während meines Besuchs baute ein Kind einen ganzen Tag lang einem Haus aus Bauklötzchen. Das fand ich sehr spannend, denn im Laufe des Tages schaut ich immer mal wieder dort vorbei und sah wie das Gebäude wächst oder etwas Neues dazu kam. Gegen Mittag kam dann ein zweites Kind dazu, und wollte eine Garage für sein Auto gebaut haben. Kurzerhand arbeiteten die beiden Kinder zusammen an dem Gebäude, was sich jetzt eher zu einem kleinen Anwesen entwickelte. Und natürlich wurde es am Ende des Schultages fachmännisch eingerissen und die Steine weggeräumt.
Nebendran gibt es einen Werkraum. Zunächst gibt es dort etliche Werkzeuge, die auch ein Hobbyhandwerker in seiner Garage liegen hätte. Darüber hinaus liegen wirklich gefährlichen Werkzeuge auf einem hohen für Kinder unerreichbaren Regal. Alles andere wie Hämmer, Nägel, Scheren, Holz oder Stoff ist für die Kinder frei zugänglich, sodass sie erste Erfahrungen mit diesen Werkzeugen machen können.
Ein älteres Kind zeigte mir ein selbst gebautes ein Holzboot.
Die Schatzkammer
In der Schatzkammer befindet sich das Lernmaterial zum Lesen, Rechnen und Schreiben lernen. Es ist ein wunderschöner Raum, der zum Lernen anregt. Es gibt in jeder Ecke etwas Neues zu entdecken. Ein Kind kann hier sehr gut vier Jahre seines Lebens immer wieder neues interessantes Lernmaterial finden.
Forscherraum
Im Forscherraum gibt es alle möglichen Lernangebote der Sachkunde. Maria Montessori spricht dabei von Kosmischer Erziehung. Dort gibt es Spielfiguren von Dinosauriern, Amoniten und anderen urzeitlichen Lebewesen. Ein Europapuzzle, ein Deutschlandpuzzle, ein Weltpuzzle jeweils aus Holz, verschiedene Computerhardwareteile und eine Erklärung, welches Teil im Computer welche Funktion übernimmt und so viel mehr, dass Kinder auch in diesem Raum über vier Jahre immer ausreichend neue Lernangebote finden.
Bewegungsraum
Der Bewegungsraum ist eine Art Sporthalle, in der aber kein Sportunterricht stattfindet, sondern Kinder sich frei bewegen können. Sie erfüllen ihre eigenen motorischen Lernbedürfnisse.
Während meines Besuchs bauten fünf Kinder zusammen einen herausfordernden Parcours. Einige Jungs kickten mit dem Fußball, eine andere Gruppe aus Kindern baute sich eine Schwebeleiter und alle versuchten, drüber zu klettern. Ich konnte mit einem Kind mit motorischer Einschränkung ein Bewegungsspiel spielen, während andere Kinder ihren Parcours abliefen.
Inklusion und Individualität
Die Grundschule arbeitet inklusiv. Das individuelle lernen steht deutlich im Vordergrund. Im Gegensatz zum herkömmlichen Sportunterricht, wo alle das Gleiche machen müssen, war das indivuelle Bewegen ein riesiger Vorteil für alle Beteiligten.
Es wird mir immer klarer, wie unnatürlich und absurd es ist, alle Kinder zur gleichen Zeit zum gleichen Ergebniss zu führen. So ist das Leben einfach nicht. Auch wenn die Industrie das gerne hätte. Monotone Bewegungen im Gleichschritt ist etwas, was die Maschine übernehmen kann.
Die Freie Aktive Schule Wülfrath lässt den Kindern großen Freiraum. Es gibt natürlich auch hier Regeln, Grenzen und Rücksprachen mit den Lernbegleitern. Trotzdem geht das einher mit einer großen Selbstbestimmung. In der nicht-direktiven Pädagogik wird niemand gezwungen und der Lernprozess nicht von den Erwachsenen gelenkt. Es kommt vor, dass Kinder den ganzen Tag durch das Schulgebäude laufen, sich in eine Ecke zurückziehen, sich lange unterhalten, die Natur erkunden
Pädagogik
Deswegen brauchen Fachkräfte eine gute Wahrnehmungsfähigkeit und ein Feinfühligkeit, die ihnen erlaubt, sich allen Geschehnissen im Raum bewusst zu werden. Der Lehrer wird zum Lernbegleiter. Er lässt sich auf die dynamischen Prozesse des freien Spielens und Lernens ein und erspürt, wann das Kind welches Lernbedürfnis durch welche Tätigkeit erfüllen möchte. Das Beobachten des Kindes ist die primäre Aufgabe.
Gleichzeitig gibt es für Kinder auch die Möglichkeit, sich in geschützte Raume zurückzuziehen. Die Schulpflicht wird zur Schulgeländeanwesenheitspflicht.
Fazit
Die Freie Aktive Schule Wülfrath war für mich als Gymnasiallehrer wie ein Besuch in einem fremden Land. Dementsprechend erlebte ich einen regelrechten Kulturschock. Dieses so andersartige Schulleben forderte mich permanent dazu heraus, meine Überzeugungen davon, wie eine Schule zu sein hat, zu hinterfragen. Wenn man neue Wege geht, darf man sich eben nicht wundern, dass die Landkarten, an denen man sich bisher orientierte, nicht mehr passen. Die Freie Aktive Schule Wülfrath war für mich ein echter Game Changer.