Offene Schule Köln – Eine Schule für alle

Die moderne Antwort auf den langweiligen Regelschulalltag

Die Offene Schule Köln ist eine staatlich anerkannte Ersatzgesamtschule, dessen Betriebssystem ein Update erhalten hat. Diese noch sehr junge Schule existiert seit 2012 und beschult aktuell ca. 400 Schülerinnen und Schüler. Hier lernen Kinder unterschiedlichen Alters in einer Lerngruppe gemeinsam mit zwei oder drei Erwachsenen. Morgens beginnt der Tag mit einer Check-In-Runde, in der tagesaktuelle Anliegen aller Beteiligten besprochen werden.

Die Räume

Theater

In der Offenen Schule Köln gibt es verschiedene Funktionssräume. Auffallend ist der große Theater-, Kunst- und Musikraum mit Bühne, einem eigenen Kleiderfundus und allerlei technischen Geräten. Hier konnte ich ein sechzehnjähriges Mädchen mit geistiger Behinderung beim eifrigen Theaterspielen beobachten. Theater sei ihr absolutes Lieblingsfach. Später wolle sie gerne einmal auf einer Bühne schauspielern. Besonders gern spiele sie Szenen, in denen man streitet. Ihr Spiel ließ sich jedenfalls sehen.

Am meisten beeindruckt haben mich die beiden großen Werkräume, in denen die Kinder und Jugendlichen didaktisch aufbereitete Arbeitsaufträge erhielten. Noch besser hätte mir natürlich gefallen, wenn sie eigenen Projekten nachgeganen wären, aber es ist wie gesagt eine Schule und es gibt einen verbindlichen Lehrplan.
Ich beobachtete vor allem Jungs, die sich sehr eifrig dem Bau einer Brücke widmeten und auch gut im Team zusammenarbeiten konnten. Teamarbeit, die im Schulalltag der staatlichen Regelschulen sehr oft fehlt, obwohl es doch unabdingbarerer Teil fast jeglicher späterer beruflicher Tätigkeit ist, hat an der Offenen Schule Köln seinen festen Platz.

Boxraum

Dann gab es noch einen Boxraum, mein persönlicher Favorit. Wenn ein Schüler oder eine Schülerin in der Lerngruppe mal komplett querschlägt und eine Auszeit vom Lernen braucht, darf er in den Boxraum und sich abreagieren. Ich würde sagen, dass Kinder beim Boxen auch essenzielle Dinge für ihr Leben lernen. Was für eine geniale und einfache Idee! Wieso sind Hauptschulen nicht auf diese Idee gekommen? Der gesunde Umgang mit den eigenen Emotionen sollte in der Schule generell eine größere Rolle spielen. 

Differenzierungstrakt

Es gibt an der Offenen Schule Köln auch eine große Abteilung für Kinder und Jugendliche mit Behinderung und Förderbedarf. Inklusion gelingt hier weitaus besser als an anderen Schulen. Montessori- und Sonderpädagogen runden die Betreuung ab. Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf haben hier den Rahmen zur individuellen Entwicklung, den sie brauchen. Es ist unbestreitbar, dass eine der größten Herausforderungen des Bildungswesens im 21. Jahrhunderts eine gelingende Inklusion ist. Und dafür braucht es die Entwicklung gelingender Konzepte des individualisierten Lernens. Die Offene Schule Köln hat hier einen großen Schritt gemacht. Es bleibt mir eine gesellschaftliche Frage offen: Wollen wir miteinander in Vielfalt leben oder nur nebeneinander koexistieren oder sollten wir vielleicht aufhören, überhaupt einen Unterschied zwischen Kindern mit Förderbedarf und Kindern ohne Förderbedarf zu machen und endlich jedes Kind als einzigartig und förderungswürdig in seiner Individualität ansehen?

Da die Offene Schule Köln gerade stark wächst, war während meiner Hospitation der Spatenstich für das neue Schulgebäude. Ich freue mich schon jetzt drauf, die OSK an dem neuen Standort noch einmal besuchen zu dürfen.

Der Alltag an der Offenen Schule Köln

Lernen

Die OSK setzt ein Lernzeitmodell um, dass den Schülerinnen und Schülern mehr Freiheiten einräumt als an anderen staatlichen Regelschulen. Konkret bedeutet das den Wegfall einiger Fachunterrichtsstunden und dafür mehr Zeit für individuelles Lernen in den jeweiligen Klassenräumen.

Die Kinder und Jugendlichen erhalten dann sogar die Möglichkeit, mal eine Auszeit zu machen. Dann erhalten sie eine Karte, in der Erlaubnis des Lehrers zur „Pause“ und dessen Dauer verzeichnet ist. Das ist der Kompromiss zwischen der freien Bewegbarkeit der Kinder und der strikten Einhaltung der Anwesenheitspflicht im Klassenraum. Wir wollen die Kinder eigentlich frei lassen, aber wir müssen trotzdem jeden Schritt kontrollieren. Wieviel Vertrauen und Freheit sind wir bereit, den Kindern zuzugestehen? Wollen wir überhaupt, dass sie eigenverantwortlich handeln? Und schließlich gibt es ja auch die Aufischtspflicht und etliche andere Vorgaben.

Leistung

Der Schulalltag der Offenen Schule Köln ist nachwievor geprägt von Lehrplänen, Stundenplänen, Leistungsanforderungen und Noten. Dies geschieht allerdings viel subtiler als an den öffentlichen Regelschulen. So habe ich auch an dieser Schule einen großen Erwartungsdruck wahrgenommen, was die Erfüllung der Lehrplanziele und Leistungsanforderungen angeht. Viele junge Lehrerinnen und Lehrer, die hier arbeiten, sehen das gelingende Unterrichten als ihr Hauptgeschäft an. Damit stellen sie sich auch selbst weiterhin unter einen gewissen Stoffvermittlungsdruck.

Motivation

Wie schön wäre es, wenn motivierte Kinder und Jugendliche gerne zur Schule gehen und sich begeistert in eine Sache vertiefen? An der Offenen Schule Köln habe ich das größtenteils in den Pausen und in den außerunterrichtlichen Aktivitäten beobachten dürfen. So gestaltete eine Jungsgruppe mit voller Begeisterung ein Gesellschaftsspiel nach Vorlage eines Handygames und bastelte eigens dafür vorgesehenes Material. Dann spielten sie mit Leidenschaft. Was die Jungs dabei wohl alles gelernt haben? Das stand allerdings nicht im Lehrplan. Später wurde das Material von einer Lehrerin als Folge eines Streits mit einem der Schüler in den Müll befördert. Eine Schule, die vom Kind her denkt, Potenziale fördert und ihre Entwicklung begleitet, hat eben auch ihre Grenzen.

Feedback einer Schülerin

Die OSK ist eines der bestmöglichen Provisorien, welches das Ziel hat, für alle […] zu dem im deutschen Schulsystem höchstmöglichen Schulabschluss zu führen. […] Außerdem ist die OSK keine starre Schule, sie wandelt sich ständig und erfindet sich neu. Durch ein besonderes Lernkonzept bzw. Lehrkonzept berücksichtigt die Schule die Individualität der Schülerinnen und schafft ein deutlich realitätsnahes Lernen. Die Betonung auf dem höchstmöglichen Schulabschluss ist mir deshalb so wichtig, weil ich weiß, wie viele Schülerinnen, die aus noch freieren Lernkonzepten kommen, Probleme haben ihr Abitur zu erlangen. […] Das größte Alleinstellungsmerkmal (meiner Meinung nach) bildet die Kombination aus dem besonderen Lernkonzept und dem Inklusionsgedanken. Das ermöglicht ein Lernen für das Leben.
Doch auch bei all diesen guten Aspekten ist die OSK natürlich nicht perfekt. Ich bin der Meinung, dass die OSK deutlich mehr Schüler*innen abholt, als eine staatliche Schule, doch wird auch sie längst nicht für alle passend sein. Für manche ist das Konzept beispielsweise noch zu frei.

Tina, Schülerin der OSK

Das Material

In der Offenen Schule Köln fand ich eine vielfältige Auswahl an Lernmaterial, Spielen und Montessorimaterial. Das Schulbuch ist aber auch hier noch das Lehrmedium der Wahl. Man kann sich aber auch einen Laptop aus dem Schrank zu nehmen und auf andere Art und Weise lernen. Besonders gelungen empfand ich auch hier den Inklusionsgedanken. Es arbeiteten tatsächlich alle Schülerinnen und Schüler gleichzeitig an verschiedenen Themen. Auch die Kinder, die in ihrer Entwicklung hinter dem Schnitt der Lerngruppe zurücklagen, wurden gesehen und mitgenommen.

Ist Inklusion nun die Miteinbeziehung von Menschen mit Behinderung oder Migrationshintergrund in die Gemeinschaft? Oder vielmehr die Miteinbeziehung aller Kinder und Jugendlichen unter Achtung ihrer Indivudualität. Das würde allerdings zu einer Neuausrichtung unseres gesellschaftlichen Paradigmas führen. Denn dann würde die Absurdität des Erreichens gemeinsamer Lernziele offengelegt und tradierte Schulen müssten sich eingestehen, dass sie im letzten Jahrhundert stehengeblieben sind.

Weitere Angebote

An der Offenen Schule Köln gibt es vielfältige außerunterrichliche Angebote, wie z.B. ein Strickmusterkurs. Kein Vergleich zu einem Handarbeitsunterricht an der Waldorfschule, aber eine tolle Möglichkeit für Kinder und Jugendlichen, außerunterrichtliche und nicht fachgebundene Lernerfahrungen zu sammeln.

Außerdem gibt es in der Mittelstufe den sogennaten Klassenrat. Ein bewährtes Konzept, was an Regelschulen viel zu selten umgesetzt wird. Die altergemischte Klassengemeinschaft kommt in einem Kreis zusammen und es werden Meinungen ausgetauscht, Belange der Klassengemeinschaft diskutiert und demokratische Abstimmungen abgehalten. Ich durfte sogar eine Diskussion über die Maskenpflicht und das Lüftungsgebot mitverfolgen. Was mich am Klassenrat besonders beeindruckte, war die Gelegenheit der Schülerinnen und Schüler, einmal frei von Erwachsenen die Belange der Schule zu diskutieren. Wir Erwachsenen mussten dann tatsächlich den Raum verlassen und die Kinder und Jugendlichen diskutierten untereinander. Diese Form gelebter Demokratie gibt es in Schulen viel zu selten. Wann beginnen wir endlich damit, die Schule vom Kinde aus zu denken.

Fazit

Ein neuer alter Weg

Die Offene Schule Köln ist eine Schule, die viele gelingende neue Wege ausprobiert und schon geht. Durch die Tatsache, dass die Schule noch so jung ist, schon einen Schulleiterwechsel hinter sich hat und ein eher junges Kollegium besitzt, scheint sie mir eine Schule in der Entwicklung zu sein. Ich fragte mich während meiner Hospitation immer wieder, was die Vision der Schule sei und was die geteilten und gelebten Werte an der OSK seien. Es ist schwierig, in der kurzen Zeitspanne einer Woche zu erspüren, allerdings konnte ich es auch auf direkte Nachfrage im Kollegium auch nicht herausfinden.

Zwischen Abschluss und Freiheit

Vergleicht man die Wichtigkeit von Schulabschlüssen mit der Wichtigkeit der individuellen persönlichen Entwicklung eines jedes Kindes besitzt nach meiner Wahrnehmung an der Offene Schule Köln der Schulabschluss die höhere Priorität. Das Konzept orientiert sich noch sehr stark an der Erfüllung der Lern- und Leistungserwartungen unserer Gesellschaft. Dass Kinder und Jugendliche ganz frei ihre eigenen und ganz individuellen Vorhaben verwirklichen können, war wie gesagt vorwiegend in den Pausen zu finden. Es scheint ja in der Schule ausschließlich darum zu gehen: Gute Noten und ein guter Abschluss. Die Kinder können ja zu Hause spielen und sich dort entfalten. In einer Ganztagsschule bleibt dafür am Ende des Schultages allerdings nicht mehr so arg viel Zeit übrig.

Es ist ein Dilemma: Wie viel Vertrauen in die Eigenverantwortung darf ich zulassen, sodass ein gelungender Bildungsweg nicht gefährdet ist? Wie viel Individualität will ich täglich im Keim ersticken, um die Schüler*innen zu einem guten Schulabschluss zu kriegen? Wie wichtig sind Abschlüsse und Noten im Vergleich zur Herausbildung angelegter Potenziale von Kindern und Jugendlichen? Und welche Aufgabe hat Schule in Zukunft eigentlich?

Der Pioniergeist

Diese Fragen mit einem 100-köpfigen Kollegium zu diskutieren und die verschiedenen Meinungen und Ansichten zuzulassen, ist sicher eine Mammutaufgabe, in meinen Augen allerdings eine notwendige, vor allem dann, wenn wir uns als eine demokratische Gesellschaft verstehen. Ein Konzept trägt sich nur in den Herzen aller Mitarbeiter. Auch wenn es an der OSK regelmäßige Supervisionen und Reflexionen im Kollegium gibt, suchte ich vergeblich nach einer gemeinsamen Leitkultur. Einige schillernde und engagierte Pioniere tragen den Geist einer neuen pädagogischen Entwicklung in der Schule mit Engagement voran und andere machen eben einfach ihren Job und sind froh, dass sie eine gute Stelle an einer guten Schule gefunden haben. Das ist aber allemal besser, als dass eingefahrene System der Staatsschulen.

Der Pioniergeist in Sachen Bildung, der wirklich auch etwas umsetzen will, ist in Deutschland rar gesäht. Umso mehr freue ich mich darüber, dass es die Offene Schule Köln gibt, die den sicheren aber ausgediehnten Hafen der Herkömmlichkeit verlassen und sich in den Aufbruch zur einer neuen Schule und das damit verbundene Ungewisse wagen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die moderne Schulentwicklung und die Offene Schule Köln ist ein anregendes Beispiel, wie Schule auch anders gehen kann.

Ich wünsche der Offenen Schule Köln einen guten weiteren Weg der inneren Teambildung, und moderner Leitbildarbeit mit viel Mut, neue Wege zu gehen. Wenn alle staatlichen Gesamtschulen in Deutschland den gleichen Mut zur Veränderung aufbrächten wie die Offene Schule Köln, dann hätten wir eine wunderbare Regelschullandschaft.

Hier geht’s zur Website: https://www.offene-schule-koeln.de/offene-schule-koeln-willkommen/

Schreibe einen Kommentar

* Habe die Datenschutzbestimmungen gelesen und akzeptiere sie.